*Der Beitrag spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider und entspricht nicht zwangsweise der Meinung der VDW.

Die Süddeutsche Zeitung vom 28.04.2017 gibt im Wirtschaftsteil (S.15) einen – etwas versteckten – Lichtblick für alle Trump-Verzweifler: „Fast die Hälfte der 500 größten US-Konzerne hat mittlerweile eigene, firmeninterne Standards zur drastischen Verringerung des eigenen Treibhausgasausstoßes beschlossen – Standards, an denen die Firmen auch dann festhalten wollen, wenn die Regierung die Umweltvorgaben lockert“.

Unabhängig davon, dass dahinter vielfach betriebswirtschaftliches Kalkül verborgen sein mag, ist es doch ein ermutigendes Zeichen für ethisches Handeln in den Unternehmen und deren Chefetagen. Ich selbst bin in meiner Funktion als Einigungsstellenvorsitzender und Mediator fast täglich in den verschiedensten Unternehmen unterwegs und bemerke durchaus eine zunehmende Befassung von Führungskräften und Mitbestimmungsträgern mit dem Thema „Nachhaltigkeit“, also der Frage, was unternehmerisches Handeln für Konsequenzen nicht nur im betriebswirtschaftlichen, sondern auch im sozialen und ökologischen Bereich nach sich zieht. Einige Unternehmen arbeiten bereits mit nachhaltigen Steuerungskennzahlen!

Das hat nichts mit einer gelegentlich behaupteten (Ijoma Mangold) „Moral des Marktes“ zu tun, eine solche gibt es meines Erachtens nicht. Die Verantwortung liegt bei den Entscheidungsträgern in den Unternehmen und den ethischen Konflikten, die dabei auszutragen sind.

Konfliktfälle

Ich werde als Einigungsstellenvorsitzender häufig zu Interessenausgleichen und Sozialplänen bei Auseinandersetzungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gerufen. Die spannende (nicht rechtliche, sondern moralische) Frage lautet zunächst häufig, ob ein gut laufendes Unternehmen, das hohe Gewinne einfährt, Arbeitnehmer entlassen darf oder darauf zu verzichten hat. Sowohl das eine wie das andere wäre wohl aus guten Gründen vertretbar, eine eindeutige Lösung schwierig zu formulieren.

Oder auch: Wie ist zu entscheiden, wenn zum Beispiel bei Fragen der betrieblichen Altersversorgung hohe Leistungen –  insbesondere für die besonders gut verdienenden  Mitarbeiter – beibehalten oder durchgesetzt werden sollen und dies die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen beeinträchtigen kann. Und selbstverständlich auch auf Kosten der Perspektiven für jüngere Mitarbeiter und zukünftiger Generationen.

Verantwortungsethik

Bei den grundlegenden Unternehmensentscheidungen führt der subjektive kategorische Imperativ Immanuel Kants nicht weit genug. Er behandelt mehr das Vertreten vor sich selbst.

Dagegen ist die Verantwortungsethik bei Max Weber folgenreicher: Welchen Nutzen hat die Handlung für die Gesellschaft, ist er gut oder schlecht, also: Welche Konsequenzen hat mein Tun oder das meiner Organisation. Damit ist jeder einzelne Mensch, in welcher Funktion und welcher Struktur auch immer, und jede Organisation verantwortlich für die Folgen seines/ihres Tuns.

Auch wenn die Ethikfrage – wie in den Konfliktfällen – zu keinen eindeutigen Lösungen führen mag, ist sie doch intensiv zu behandeln, um als Abwägungsmechanismus beim Konflikt von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Komponenten zu Entscheidungen zu kommen. Wohin die Nichtaustragung dieses Konflikts führt, zeigt die natürlich auch schon strafrechtlich relevante Dieselabgasaffäre bei VW. Die seit Aristoteles als Hauptdisziplin behandelte Frage muss daher in den Unternehmen ein andauernder Prozess sein. Nach Wilhelm Busch: „Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein“.

Auf den eingangs zitierten SZ-Artikel bezogen bedeutet das wohl erfreulicherweise, dass sich die US-Konzerne von ihrer „Tugend“ auch nicht durch eine (irrlichternde) Politik abbringen lassen.

Konsequenzen

Ein Interessenausgleich in den Unternehmen zwischen betriebswirtschaftlichen und sozialen Fragen ist durch die Betriebs- und Aufsichtsratsgremien vorhanden. In diesem Feld bin ich beruflich tätig.

Die ökologische Komponente führt oft noch ein stiefmütterliches Dasein. Wäre es nicht an der Zeit, bei grundlegenden Entscheidungen (z.B. in den Aufsichtsräten) diese auf die Nachhaltigkeit, insbesondere bzgl. der ökologischen Folgen, abzuklopfen und eine derartige Expertise auch verpflichtend einzuführen? Manche Entscheidungen würden, insbesondere in den paritätisch besetzten Aufsichtsräten, vielleicht anders ausfallen. Dies könnte auch ein Ansatz sein, den Interessenausgleich von Betriebswirtschaft, Sozialem und Ökologie ehrlicher zu gestalten.

RA Dr. Klaus Schmid

Freiberuflicher Rechtsanwalt in Berg am Starnberger See
VDW-Vorstandsmitglied

RA Dr. Klaus Schmid
RA Dr. Klaus Schmid
Klaus Schmid, Jahrgang 1958,ist freiberuflicher Rechtsanwalt in Berg am Starnberger See. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist der Vorsitz von Einigungsstellen im betriebsverfassungsrechtlichen Bereich in meist großen Unternehmen/Konzernen und von Schlichtungsstellen in tarifvertraglichen Angelegenheiten sowie Mediationsverfahren. Er hält auch Vorträge und Seminare zu arbeitsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Themen. Schmid fungierte davor (2005-2010) im Vorstand (auch als Arbeitsdirektor) der Energieunternehmen BEWAG in Berlin und HEW in Hamburg, danach als Geschäftsführer und Arbeitsdirektor bei Vattenfall Europe. Vor seinem Wechsel in die Wirtschaft war er von 1996 bis 2005 als Vorsitzender Richter in der bayerischen Arbeitsgerichtsbarkeit (auch als Ausbildungsleiter für Rechtsreferendare) und von 1988 bis 1996 insb. mit dem Zuständigkeitsbereich „Staatliche Krankenhäuser“ im bayerischen Arbeits- und Sozialministerium in München. Schmid promovierte als wissenschaftlicher Assistent im Jahr 1985 mit einer rechtshistorischen Arbeit (Duncker&Humblot) bei Prof. Dr. Peter Landau und war Mitverfasser arbeitsrechtlicher Kommentare.